Österreich
Mit einem meiner Golfkollegen bin ich eine Runde über den Platz gegangen und wir unterhielten uns über meine aktuelle Lage und was man machen kann. Der Kollege , selber Geschäftsführer eines Unternehmens in Nähe Frankfurt/Main, hatte eine Idee: Sein Headhunter in Berlin, mit dem er seit Jahren zusammenarbeitet, kann bestimmt etwas für mich tun. Schließlich lässt er da jährlich genügend Geld an Honoraren für Vermittlung und Beratung, da können die mal was für ihn bzw. mich tun.
Kurzum: Ich bekam die Adresse, er telefonierte kurz mit der Firma und ich war schlagartig in Kontakt und in der „wir kümmern uns“-Rangliste des Headhunters als Seiteneinsteiger weit oben eingestiegen.
Die ersten Angebote und Ideen waren nicht wirklich etwas, und dann kam der Vorschlag: Eine Firma in Österreich sucht einen Verkäufer von Anhängern in Nordwest-Deutschland. Ja, das klang gut. Passte alles. Der erste Kontakt war per Telefon: statt der geplanten 30 Minuten wurde es eine volle Stunde Gespräch, wobei der Verkaufsleiter deutlich mehr redete als ich. Aber man war auf einer Spur, eine Richtung. Es wurde zugesagt man würde sich zum nächsten Treffen sehen. Klasse!
Dann passierte erst einmal nichts mehr. Vier Wochen Stille. Auf Rückfrage beim Headhunter kam die Antwort, es gäbe viele Bewerber die gesichtet oder gehört werden wollen, und es werden mehrere Vertriebler gesucht für alle Gebiete Deutschlands, und es ist schwierig unter Corona-Bedingungen einen passenden Ort für ein weiteres Treffen zu finden. Aha, schön das man das auf Nachfrage auch erfährt.
Also warten……
Die Nachricht kam: ein Ort ist gefunden und der Termin kann festgelegt werden. Für jeden Bewerber werden maximal 1,5 Stunden eingeplant. Okay, sollte reichen.
Vereinbart wurde ein Treffen in einem Hotel in der Nähe des Kölner Bahnhofes. Meine Anfahrt war per Zug, um zu verhindern, dass man durch Staus oder Stress auf der Autobahn Zeit verliert und eventuell sogar zu spät kommt. Die Fahrtkosten sind genauso hoch ob man Zug oder Auto nimmt. War auch eine entspannte Zugfahrt, da man ein Abteil für sich alleine hatte und kaum jemand Zug gefahren ist. Die Bahnhöfe, durch die man so durchfährt, waren größtenteils verwaist.
Angekommen im Hotel musste ich natürlich noch warten, war viel zu früh. Egal, Hauptsache da. Da es im Hotel weder etwas zu trinken noch zu essen gab, saß man im Foyer auf einem Sitz und wartete. 5 Min. vor den geplanten Termin nahm mich ein Angestellter des Hotels mit in das Nebengebäude. Das bestand aus Einzel-Apartments, die man auch über das Hotel buchen kann. Er steckte mich den Aufzug, der nur mit seiner Hotelkarte funktionierte, und ich fuhr in den vierten Stock. Tür ging auf und ich musste zum genannten Zimmer gehen. Die Flure waren dunkel, schwarze Tapeten an den Wänden und der Fußboden in tiefrotem Hochfloor. Man fühlte sich etwas unwohl in dieser Umgebung, es hatte jetzt eher den Charakter eines Stundenhotels.
Nun gut, Klopfen an der Zimmertür und ich wurde eingelassen. Zwei Herren begrüßten mich freundlich, es gab Kaffee und Wasser.
Mit dem anderen Herrn, der der neue Marketingleiter der Firma war, unterhielt ich mich bestens. Wir hatten vieles gemeinsam, kamen aus der selben Ecke Deutschlands, hatten Verbindungen in den Norden, gleiche Leidenschaften im Fußball, es lief gut. Der andere Herr, der eigentliche Verkaufsleiter und mein vielleicht zukünftiger Chef, war auch da. Äußerlich, innerlich war er ganz woanders.
Neben unserem Gespräch liefen für ihn wichtige Verhandlungen mit Kunden im Ausland. Und dazu musste er regelmäßig raus in den Nebenraum und telefonieren.
Das Gespräch näherte sich den Ende, wir besprachen die Problematik wie man nach Österreich kommt bei der Corona-Problematik zum dritten und letzten Gespräch mit der Geschäftsführung, und beim Rausgehen fragte ich nach dem Stand seiner Verhandlungen und wünschte allen viel Erfolg.
Auf dem Rückweg stellte ich für mich fest, dass es ein sehr gutes Gespräch gewesen ist, alles Besprochen wurde was wichtig war und ich vorfreudig auf das Telefonat mit dem Headhunter wartete. Tagsdrauf fand das statt und ich zeigte meine offene Begeisterung. Alles gut….dachte ich.
Zwei Wochen später gab es die Absage. Begründung: der Verkaufsleiter konnte es sich nicht vorstellen, dass ich als ehemaliger Geschäftsführer, Vertriebsleiter und Konstruktionsleiter zu den Speditionen fahre und dort direkt deren Produkte anbiete, verhandle und Verträge mache.
5 Jahre Direktvertrieb, mit Kaltakquise und Vertriebstraining, dazu 10 Jahre Vertrieb von Maschinen und Anlagen waren ihm da wohl zu wenig. Falls er das jemals gelesen hatte in meinem Lebenslauf.
Das diese Beurteilung schwachsinnig ist habe ich zwar dem Headhunter klar machen können, aber das reichte natürlich nicht um noch Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen.
Fazit:
Wer während des Gespräches geistig nicht anwesend ist und sich mit anderen Dingen beschäftigt, sollte keine Entscheidungen treffen. Es wäre schlauer gewesen das Gespräch abzubrechen, auch von meiner Seite, aber im Nachgang ist man ja immer schlauer. Wäre zeitlich wohl auch nicht möglich gewesen, da der nächste Anwärter bereits 30 min nach mir dran war.
Fahrkosten wurden übrigens weder vom Headhunter noch von der Firma erstattet. Originalaussage: „etwas Einsatz der Bewerber würde man schon erwarten“.